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Grundsatzfragen

Welche Rolle spielt die Kinder- und Jugendhilfe in der Digitalstrategie der Bundesregierung?

In dem 52-seitigen Dokument zur Digitalstrategie der Bundesregierung vom 31. August 2022 findet die Kinder- und Jugendhilfe an zwei Stellen explizit Erwähnung:

  • Zum einen heißt es auf S. 6: "Die Digitalisierung in den Bereichen Bildung, Kinder- und Jugendhilfe, Arbeit, Gesundheit, Pflege, Mobilität, Nahversorgung, Kultur und Medien, bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt führt zu einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in urbanen und ländlichen Räumen und trägt somit zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse bei"
  • Zum anderen heißt es auf S. 28: "Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:
    • Bund, Länder, Kommunen und freie Träger auf Basis einer gemeinsamen Strategie zur Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe kooperieren
    • die Anregung und Förderung von Aktivitäten in der Kinder- und Jugendhilfe zur Stärkung der Digitalkompetenzen von jungen Menschen und Fachkräften durch den Bund erheblich zugenommen hat und digitale Werkzeuge zu qualifizierterer Beratung und stärkerer Nutzung von Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe beitragen."

An weiteren Stellen finden sich Anmerkungen, die die Kinder- und Jugendhilfe zumindest implizit betreffen oder zumindest einzelne Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe betreffen:

  • Auf S. 5 wird erwähnt, dass alle Bildungseinrichtungen sich das Potenzial der Digitalisierung für bessere Bildung und mehr Chancengerechtigkeit zunutze machen. Als Bildungseinrichtungen werden hierbei auch Kindertageseinrichtungen sowie non-formale und informelle Bildungsorte genannt.
  • Auf S. 7 werden mehr geschützte, öffentlich-rechtliche, virtuelle Räume, in denen sich Kinder und Jugendliche, Mädchen und Frauen und vulnerable Gruppen jenseits von Geschlechterstereotypen und in ihrer Vielfalt austauschen und positionieren können als ein Zielbild beschrieben.
  • Auf S. 27 wird betont, dass man dafür sorge, dass schon Kinder und Jugendliche in einem sicheren digitalen Umfeld und geschützten digitalen Räumen teilhaben und Chancen für sich nutzen können und die aktuellen gesetzlichen Reformen hierfür konsequent durchgesetzt werden, z.B. mit der neu aufgestellten Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz

Das vollständige Dokument "Digitalstrategie. Gemeinsam digitale Werte schöpfen" steht hier zur Verfügung.

Zu der Webseite Digitalstrategie Deutschland gelangen Sie hier.

Welche Bedeutung hat das Onlinezugangsgesetz (OZG) für die Kinder- und Jugendhilfe?

Mit dem 2017 verabschiedeten und inkraftgetretenen Onlinezugangsgesetz (OZG) sind zwei zentrale Ziele verbunden:

  1. die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen auf der Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene und
  2. die Schaffung einer IT-Infrastruktur, die allen Nutzer*innen einen einfachen elektronischen Zugang zu Verwaltungsleistungen ermöglicht.

Insgesamt sind 575 OZG-Leistungen zu digitalisieren, deren Umsetzung in 14 Themenfeldern erfolgt. Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe sind in dem Themenfeld "Familie und Kind" direkt adressiert. Es sind insgesamt 21 OZG-Verwaltungsdienstleistungen in acht Umsetzungsprojekten (Adoption und Pflegekinder, Betreuungs- und Kulturangebote, Eheschließung, Familienförderung, Geburt, Kombinierte Familienleistungen, Namensänderung und Schwangerschaft) benannt. Z.B. beinhaltet das Umsetzungprojekt Familienförderung die drei Leistungen Unterhaltsvorschuss, Beistandschaft und Gewährung von Hilfen zur Erziehung. Die Länderfederführung übernimmt das Land Bremen, die Bundeskoordination das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).

Den vollständigen Gesetzestext des OZG finden Sie hier.

Die Umsetzunsprojekte sowie weitere Informationen zum Themenfeld "Familie und Kind" finden Sie hier.

Allgemeine Aspekte zur Implementierung und Nutzung digitaler Technologien und digitaler Tools

Wie kann bereits bei der Entwicklung digitaler Technologien für Leitungs- und Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe dafür Sorge getragen werden, dass die Technologien einen fachlichen Mehrwert haben und keine (zusätzliche) Belastung sind?

Empirische Befunde zeigen, dass einige Führungskräfte der Sozialen Arbeit digitale Technologien vorwiegend als Arbeitsbelastung empfinden. So unterstützen digitale Systeme zwar bei administrativen Tätigkeiten, bringen jedoch oft auch neue Aufgaben mit sich, die über das eigentliche Kerngebiet sozialpädagogischer Fachkräfte hinausreichen.

Damit digitale Systeme für Leitungs- und Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe einen erkennbaren Mehrwert haben, ist es daher wichtig, bereits bei deren Entwicklung nicht bloß technische und betriebswirtschaftliche Aspekte, sondern vor allem auch zentrale fachliche Bedürfnisse der Sozialen Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe zu berücksichtigen. Bisher ist dies jedoch kaum der Fall und sozialpädagogische Fachkräfte haben meist wenig Möglichkeit, bei der Entwicklung neuer digitaler Systeme für die Kinder- und Jugendhilfe ihre fachliche Perspektive miteinzubringen.

Es erscheint daher dringend geboten, dass bereits bei der Entwicklung neuer digitaler Technologien und Systeme für die Kinder- und Jugendhilfe ein breites Netzwerk aus unterschiedlichen relevanten Akteur*innen einbezogen wird. Zu diesen Akteur*innen sollten neben den Mittelgebenden und den Programmierer*innen unbedingt auch Leitungs- und Fachkräfte sowie Adressat*innen der Kinder- und Jugendhilfe zählen.

Hinweis: Dieser Text basiert inhaltlich auf Beschreibungen in der vom ism in Auftrag gegebenen Expertise „Einsatz digitaler Technologien in der Kinder- und Jugendhilfe“ von Nina Rehme und Prof. Dr. Uwe Seelmeyer. In Kapitel 5.3 der Expertise werden die hier skizzierten Aspekte näher ausgeführt.

Hier können Sie die Expertise „Einsatz digitaler Technologien in der Kinder- und Jugendhilfe“ lesen.

Hier finden Sie außerdem eine Übersicht über weitere bisher veröffentlichte vom ism in Auftrag gegebene Expertisen zu Themen der Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe.

Einsatz von Messengern zur digitalen Beziehungsgestaltung

Welche Potenziale und Herausforderungen birgt der Einsatz von Messenger-Diensten für die Gestaltung der Beziehung zwischen Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe und Adressat*innen? Worauf sollten Fachkräfte beim Einsatz von Messenger-Diensten achten?

Der Einsatz von Messenger-Diensten kann die Beziehungsgestaltung zwischen Fachkräften und Adressat*innen (junge Menschen sowie Eltern / Sorgeberechtigte) in der Kinder- und Jugendhilfe auf vielfältige Weise unterstützen. Aufgrund der weit verbreiteten Nutzung, bei jungen Menschen ebenso wie bei Erwachsenen, bietet die Nutzung von Messenger-Diensten, wie z.B. WhatsApp, Signal oder Threema, Fachkräften und Adressat*innen einen einfachen und niedrigschwelligen Weg, um miteinander in Kontakt zu treten und in Kontakt zu bleiben. Die Möglichkeit, über Messenger-Dienste sowohl textbasierte Nachrichten als auch multimediale Inhalte wie Fotos, Videos und Emojis auszutauschen, eröffnet neue Wege für eine lebensnahe und interaktive Kommunikation, die den persönlichen Austausch ergänzen und bereichern kann.

Messenger-Dienste können z.B. gut genutzt werden, um Adressat*innen über aktuelle Angebote zu informieren. Durch die niedrigschwellige Erreichbarkeit können Fachkräfte zudem besonders zeitnah auf Fragen und Anliegen der Adressat*innen eingehen. Wenn Adressat*innen die Erfahrung machen, dass Fachkräfte über Messenger-Dienste wertschätzend mit ihnen kommunizieren und ihnen schnell und zielgerichtet helfen, kann dies eine gute Voraussetzung zum Aufbau vertrauensvoller Beziehungen zwischen Fachkräften und Adressat*innen sein. Zudem bietet die Verwendung von Messenger-Diensten die Chance, die Teilhabe der Adressat*innen (insbesondere der jungen Menschen) zu fördern, indem diese aktiv in die Gestaltung von Angeboten und Entscheidungsprozessen einbezogen werden. Zur Stärkung der aktiven Mitgestaltung von jungen Menschen an Angeboten  der Kinder- und Jugendhilfe kann wiederum der Einsatz zusätzlicher Apps hilfreich sein (eine Auswahl an digitalen Tools zur Beteiligung von jungen Menschen finden Sie auf unserer Online-Plattformhier).

Der Einsatz von Messenger-Diensten im Kontakt mit Adressat*innen bringt für Fachkräfte aber auch neue Herausforderungen mit sich (eine rechtliche Einordnung zum Einsatz von Messenger-Diensten finden Sie im Rechtsgutachten des DIJuF auf S. 140 ff.). Hierbei ist insbesondere der Datenschutz anzuführen. Fachkräfte müssen sicherstellen, dass sensible Informationen der Adressat*innen geschützt sind. Die Anbieter der am häufigsten von jungen Menschen und auch von Erwachsenen genutzten Messenger-Dienste sind oftmals nicht an die Regelungen der DSGVO gebunden. Ihre Nutzung hängt daher davon ab, dass sich die Adressat*innen mit der Nutzung des Messenger-Dienstes und der damit einhergehenden Datenverarbeitung durch den Dienstanbieter einverstanden erklären. Messenger-Dienste, die mit einem hohen, der DSGVO entsprechenden Datenschutzniveau werben (z.B. Threema, Rocket Chat und Teamwire) werden im Vergleich zu WhatsApp sowohl von jungen Menschen als auch von Erwachsenen wesentlich seltener genutzt. Weiterhin ist zu bedenken, dass es immer auch vorkommen kann, dass Adressat*innen über Messenger-Dienste unangemessene und unter Umständen sogar strafrechtlich relevante Inhalte versenden. Fachkräfte sollten die Adressat*innen daher auf verständliche Weise über Regelungen des Datenschutzes und deren Sinn und Zweck informieren, bevor sie mit ihnen eine Beziehung über die Kommunikation mit einem Messenger aufbauen. Nicht zuletzt ist zu beachten, dass eine Kommunikation per Messenger-Dienst Adressat*innen eine Dauererreichbarkeit suggeriert, die von Fachkräften in der Regel nicht gewährleistet werden kann und auch nicht sollte.

Um den skizzierten Herausforderungen zu begegnen, ist zu empfehlen, mit den Adressat*innen klare Absprachen dazu zu treffen, welche Informationen und Arten von Inhalten darüber geteilt werden dürfen und welche nicht. Auch sollte den Adressat*innen transparent gemacht werden, zu welchen Zeiten die Fachkräfte per Messenger-Dienst erreichbar sind und zu welchen nicht.

Es kann sich zudem anbieten, in den verwendeten Messenger-Diensten eine automatische Abwesenheitsnotiz einzustellen, über die die jungen Menschen darüber informiert werden, wenn eine Fachkraft aktuell nicht erreichbar ist und ab wann sie wieder per Messenger-Dienst zu erreichen ist (Im Falle von WhatsApp ist die Funktion, eine solche Abwesenheitsnotiz zu erstellen, derzeit nur in der Business-Version, aber nicht in der privaten Version enthalten. Jedoch kann auch die zusätzliche App „Autoresponder für WhatsApp“ für diesen Zweck genutzt werden. Diese App steht aktuell aber nur für Android-Geräte und noch nicht für iOS-Geräte zur Verfügung). In einer entsprechenden Abwesenheitsnotiz können dann auch Hinweise zu weiteren möglichen Kontaktpersonen oder zu professionellen Online- oder Telefonberatungsangeboten hinterlegt werden.

Bei der Nutzung eines Messenger-Dienstes zur digitalen Beziehungsgestaltung mit Adressat*innen sollten Fachkräfte zudem bedenken, dass die Adressat*innen ihr Smartphone womöglich nicht per Zugangscode absichern und so Dritte beim Öffnen des Messenger-Dienstes auf den Geräten der Adressat*innen auf vertrauliche Gesprächsinhalte zugreifen könnten. Daher empfiehlt es sich, dass Fachkräfte eine webbasierte Version des verwendeten Messenger-Dienstes nutzen und sich bei der Nutzung an- bzw. abmelden und dies auch den Adressat*innen, mit denen sie über den Messenger-Dienst in Kontakt stehen, empfehlen.

Fachkräfte sollten für die digitale Beziehungsgestaltung per Messenger-Dienst außerdem in jedem Fall ein dienstliches und kein privates Gerät verwenden. Zudem sollten sich Fachkräfte an das jeweilige offiziell vorgesehene Mindestalter zur Nutzung eines Messenger-Dienstes halten. Das Mindestalter zur Nutzung von beispielsweise WhatsApp liegt aktuell (19.03.2024) in Ländern der Europäischen Union bei 16 Jahren. Ab dem 11. April gelten jedoch neue Nutzungsbedingungen, sodass der Messenger ab diesem Zeitpunkt bereits mit 13 Jahren (wie dann weltweit) genutzt werden darf. D.h. für Fachkräfte, dass dieser Messenger-Dienst zur digitalen Beziehungsgestaltung mit Personen, die dieses Alter bereits erreicht haben, genutzt werden kann.

Bei dem Einsatz von Messenger-Diensten sollte zudem ganz grundsätzlich berücksichtigt werden, zu welchem Zweck und in welchem Zusammenhang die Nutzung erfolgt. So ist es z.B. als vergleichsweise unproblematisch anzusehen, Messenger-Dienste zur Information von jungen Menschen über Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit zu nutzen. Denn in diesem Fall ist nicht zu erwarten, dass sensible Daten zwischen Adressat*in und Fachkraft ausgetauscht werden. Etwas anders stellt sich die Situation beispielsweise bei der Kommunikation im Kontext von Hilfen zur Erziehung dar, denn hier kann angenommen werden, dass die Kommunikation sehr sensible, und damit besonders schützenswerte Daten, enthält.

Wenn Einrichtungen oder einzelne Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe zu dem Schluss kommen, dass sie aufgrund der beschriebenen Anforderungen und Datenschutzmängel lieber von dem Einsatz gängiger Messenger-Dienste zur digitalen Beziehungsgestaltung mit Adressat*innen absehen möchten, können sie trotzdem anerkennen, dass Messenger-Dienste gerade unter Jugendlichen einen enorm hohen Stellenwert einnehmen und daher eine äußerst effektive Möglichkeit sind, um junge Menschen niedrigschwellig zu erreichen. Überlegenswert erscheint vor diesem Hintergrund, jungen Menschen die Möglichkeit einer Erstkontaktaufnahme per Messenger-Dienst anzubieten, um dann die weitere Kommunikation über andere Wege fortzuführen. Meist werden persönliche Informationen erst sukzessive mitgeteilt, sodass junge Menschen im Verlauf der professionellen Beziehungen mit Fachkräften für den Schutz ihrer persönlichen Daten sensibilisiert werden können und auf sicherere und datenschutzkonforme digitale Tools hingewiesen werden bzw. diese zur Verfügung gestellt bekommen können.

Trotz der damit verbundenen Herausforderungen kann der Einsatz von Messenger-Diensten grundsätzlich eine wertvolle Ergänzung für die Gestaltung von Kontakten und (Beratungs-) Beziehungen zwischen Fachkräften und Adressat*innen in der Kinder- und Jugendhilfe sein, die gerade jungen Menschen neue Möglichkeiten des Zugangs zu Unterstützung sowie zur Teilhabe bieten kann.

Hinweis: Dieser Text basiert in Teilen auf Inhalten der vom ism in Auftrag gegebenen Expertisen „Digitale Kommunikation, Beratung und Beziehungsgestaltung im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe“ von Prof. Emily M. Engelhardt(Hochschule München), sowie „Stand und Entwicklung der Digitalisierung in der Kinder- und Jugendarbeit / Kinder- und Jugendbildung“ von Dr. Eike Rösch (Radarstation) & Asmae Harrach-Lasfaghi (TH Köln) sowie „Digitalisierung und Teilhabe: Chancen und Risiken in der Kinder- und Jugendhilfe“ von Susanne Enssen, Iris Nieding & Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey (Universität Duisburg-Essen).

Hier können Sie die Expertise „Digitale Kommunikation, Beratung und Beziehungsgestaltung im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe“ lesen.

Hier können Sie die Expertise „Stand und Entwicklung der Digitalisierung in der Kinder- und Jugendarbeit / Kinder- und Jugendbildung“ lesen.

Hier können Sie die Expertise „Digitalisierung und Teilhabe: Chancen und Risiken in der Kinder- und Jugendhilfe“ lesen.

Hier finden Sie außerdem eine Übersicht über weitere bisher veröffentlichte vom ism in Auftrag gegebene Expertisen zu Themen der Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe.

Welche Kompetenzen benötigen Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe für den professionellen Einsatz von Messenger-Diensten zur Gestaltung der Beziehung mit Adressat*innen (jungen Menschen und Eltern / Sorgeberechtigten)?

Vor dem Hintergrund der weiten Verbreitung von Messenger-Diensten, gerade auch bei jungen Menschen, stellt deren Nutzung in der Kinder- und Jugendhilfe eine prüfenswerte Möglichkeit dar, um mit Adressat*innen in Kontakt zu treten und Kontakt zu halten. Damit allerdings Fachkräfte Messenger-Dienste professionell in ihrer Arbeit einsetzen können, müssen sie über die notwendigen Medien- und Methodenkompetenzen sowie technischen und datenschutzbezogenen Kompetenzen verfügen. Besonders hervorzuhebende Kompetenzen sind in diesem Zusammenhang folgende:

  • Verständnis für die mediennutzungsbezogenen Trends und Praktiken der Adressat*innen: Mit Blick auf typische Nutzungsweisen von jungen Menschen betrifft dies etwa Kenntnisse darüber, welche Messenger-Dienste genutzt werden und welche Funktionen dabei verwendet werden sowie Kenntnisse über die Art der Kommunikations- und Interaktionsgestaltung der jungen Menschen (untereinander).
  • Spezifische Fähigkeiten für die Kommunikation über digitale Tools: So braucht es z.B. Wissen darüber, wie mit jungen Menschen über digitale Kanäle empathisch, klar verständlich und professionell kommuniziert werden kann. Dabei gilt es auch Fragen des Einsatzes unterschiedlicher Medieninhalte (Text, Bild, Audio, Video) zur Interaktion zu berücksichtigen.
  • Die Fähigkeit, eine angemessene Balance zwischen Nähe und Distanz zu wahren: Fachkräfte sollten z.B. in der Lage sein, die Kommunikation mit Adressat*innen über Messenger-Dienste in ihren regulären Arbeitsalltag zu integrieren, ohne dass dies zu einer ständigen Erreichbarkeit führt. Wichtig sind daher klare Kommunikationsregeln bzw. -absprachen mit den Adressat*innen, die sich insbesondere auf Reaktionszeiten und den Zweck der Nutzung von Messenger-Diensten beziehen.
  • Sensibilisierung für Fragen des Datenschutzes: Fachkräfte sollten Maßnahmen zur Sicherstellung der Vertraulichkeit der Kommunikation per Messender-Dienst zwischen Fachkräften und Adressat*innen kennen und anwenden. Nicht minder wichtig ist zudem, dass Fachkräfte die Adressat*innen in wertschätzender und verständlicher Weise ebenfalls über entsprechende Schutzmaßnahmen und deren Notwendigkeit und Zweck informieren. In diesem Sinne geht es im Sinne des Datenschutzes nicht um die Verhinderung von digitaler Kommunikation, sondern vielmehr um eine Ausgestaltung, die den Vertrauensschutz achtet.

Hinweis: Dieser Text basiert in Teilen auf Inhalten der vom ism in Auftrag gegebenen Expertise „Digitale Kommunikation, Beratung und Beziehungsgestaltung im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe“ von Prof. Emily M. Engelhardt, Hochschule München und „Digitalisierung und Teilhabe: Chancen und Risiken in der Kinder- und Jugendhilfe“ von Susanne Enssen, Iris Nieding & Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey, Universität Duisburg-Essen.

Hier können Sie die Expertise „Digitale Kommunikation, Beratung und Beziehungsgestaltung im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe“ lesen.

Hier finden Sie außerdem eine Übersicht über weitere bisher veröffentlichte vom ism in Auftrag gegebene Expertisen zu Themen der Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe.

Einsatz von digitalen Technologien und digitalen Tools zur Kommunikation im Rahmen der Hilfeplanung

Welche Potenziale bietet ein digitales Tool für junge Menschen und Personensorgeberechtige mit Informationen zu den Themen "Hilfeplanung" und "Hilfen zur Erziehung?" Und worauf sollte bei der Entwicklung und Pflege eines solchen Tools geachtet werden?

Viele junge Menschen und auch viele Eltern und sonstige Sorgeberechtigte wissen vorab nur sehr wenig darüber, was im Rahmen der Hilfeplanung auf sie zukommt und was es mit Hilfen zur Erziehung auf sich hat. Gleichzeitig haben sie jedoch das Recht, hierüber umfassend und auf verständliche Weise informiert zu werden. Eine App und/oder ein Online-Portal eines öffentlichen Trägers der Kinder- und Jugendhilfe, mit dem verständlich aufbereitete Informationen zu den Themen "Hilfeplanung" und "Hilfen zur Erziehung" bereitgestellt werden, stellt hier einen zielführenden Beitrag zur Verbesserung der Beteiligungsmöglichkeiten für die Adressat*innen im Sinne einer aktiven Mitgestaltung des Hilfeplanungsprozesses dar. Dazu gehört wesentlich, dass junge Menschen und Personensorgeberechtigte mit einem solchen Tool auch über ihre eigenen Rechte sowie Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten im Kontext der Hilfeplanung informiert werden.

Ein digitales Bereitstellen von Informationen zu eigenen Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten ist auch deshalb von Bedeutung, da die Kinderrechte, die sich aus Grundgesetz und UN-Kinderrechtekonvention ergeben, eine zentrale Geltungs- und Auslegungsgrundlage des SGB VIII darstellen. Angesichts des hohen Stellenwerts digitaler Medien in den Lebenswelten junger Menschen sind die Kinderrechte zudem unbedingt auch als digitale Kinderrechte zu begreifen und als solche auch im Kontext grundlegender jugendhilferechtlicher Strukturprinzipien, wie z.B. Niedrigschwelligkeit und Beteiligungsausrichtung, zu berücksichtigen (s. hierzu FAQ "Was haben Kinderrechte mit der Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe zu tun?").

Wenn junge Menschen die Möglichkeit haben, sich auf digitalem Wege fundiert zu ihren Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten im Kontext von Hilfeplanung und Hilfen zur Erziehung zu informieren, ist dies zugleich ein Zugang, der in ihrer digitalen Lebenswelt verankert ist. Wird ein solches digitales Tool vom öffentlichen Träger bereit gestellt, ist davon auszugehen, dass die darin enthaltenen Informationen hinreichend verlässlich sind. Dies ist bei Informationen, die junge Menschen und Personensorgeberechtigte selbst im digitalen Raum recherchieren, nicht unbedingt gewährleistet. Denn hier besteht immer auch das Risiko, auf falsche Informationen zu stoßen.

Ein entsprechendes digitales Tool sollte möglichst inklusiv gestaltet sein. Dementsprechend sollten die Informationen darin in möglichst vielen verschiedenen Sprachen zur Verfügung stehen oder es sollte eine adäquate Übersetzungsfunktion integriert sein.

Darüber hinaus sollten u.a. eine "Leichte Sprache"-Option sowie die Option einer "Kontrastfunktion" vorhanden sein. Inhaltlich sollte ein entsprechendes Tool zudem die Spezifika unterschiedlicher Hilfesettings (z.B. stationäre Einrichtungen, Pflegefamilien, ambulante Hilfen) skizzieren.

Bei der Entwicklung eines solchen Informationstools für Adressat*innen der Hilfeplanung sollte von Anfang an mitgedacht werden, dass etwaige rechtliche Neuerungen mit Implikationen für die Hilfeplanung möglichst zeitnah integriert werden können. Außerdem ist regelmäßig zu prüfen und sicherzustellen, dass die App technisch auf dem neuesten Stand ist, den Bedürfnissen der Zielgruppe entspricht und diese auch optisch anspricht. Um dies zu gewährleisten, sollten nach Möglichkeit in gewissen zeitlichen Abständen Nutzer*innenbefragungen zur Zufriedenheit mit dem entsprechenden Informationstool durchgeführt werden.

Hinweis: Diese Ausführungen basieren in Teilen auf Aussagen von Teilnehmer*innen im Rahmen des Online-Fachgesprächs "Digitale Kommunikation mit und digitale Beteiligung von Adressat*innen in der Kinder- und Jugendhilfe" (die Dokumentation dazu finden Sie hier) im Rahmen des Projekts "JAdigital. Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe konzeptionell gestalten".

Umfassendere Informationen zum Thema "Kinderrechte als Ausgangspunkt für die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Kinder- und Jugendhilfe" finden sich zudem in Teil 1 des vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF) verfassten Rechtsgutachtens zur digitalisierungsbezogenen Auslegung des SGB VIII.

Welche Potenziale bietet ein digitales textbasiertes Eingabetool, mit dem Personensorgeberechtigte den Sozialen Dienst kontaktieren können, um Hilfen zur Erziehung zu beantragen? Und worauf sollte bei der Entwicklung & Implementierung geachtet werden?

Mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) wurden alle Behörden verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen durch das Schaffen entsprechender Zugänge auch digital anzubieten (ursprünglich war hierfür eine Frist bis Ende 2022 vorgeschrieben, die jedoch nicht eingehalten werden konnte, sodass die Umsetzung der Einführung digitaler Zugangsverfahren nach wie vor im vollen Gange ist). Dies betrifft explizit auch den Zugang zu Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, wie beispielsweise Leistungen aus dem Spektrum der Hilfen zur Erziehung. Jugendämter stehen somit in der Pflicht, Eltern und sonstigen Personensorgeberechtigten auch ein digitales Verfahren anzubieten, über das sie den Wunsch nach der Inanspruchnahme einer erzieherischen Hilfeleistung artikulieren können.

Für die Ermöglichung des Erstkontakts mit dem zuständigen Sozialen Dienst eines Jugendamts, um einen solchen Wunsch zu artikulieren, kann sich dabei auch die Nutzung eines rein textbasierten digitalen Tools anbieten. Wenn Eltern und sonstige Personensorgeberechtigte, die sich für Hilfen zur Erziehung interessieren, über ein solches Tool zunächst grundlegende personenbezogene Informationen in eine Eingabemaske eingeben und an den für sie zuständigen Sozialen Dienst schicken können, kann dies eine besonders niedrigschwellige Möglichkeit zur Kontaktaufnahme sein. Es ist zu vermuten, dass die Hemmschwelle für den Erstkontakt mit dem Sozialen Dienst hierbei im Vergleich zu anderen Formen der Erstkontaktaufnahme (z.B. per Telefon, aber auch per E-Mail) deutlich niedriger liegt. Angesichts dessen, dass es sich bei Hilfen zur Erziehung für viele Eltern und sonstige Sorgeberechtigte um ein stark schambehaftetes Thema handelt, sind in einem solchen digitalen Tool für die (erste) Kontaktaufnahme daher viele positive Potenziale zu sehen.

Ein entsprechendes digitales Eingabetool sollte möglichst inklusiv gestaltet sein und daher z.B. verschiedene Sprachoptionen, eine "Leichte Sprache"-Option sowie eine "Kontrastfunktion" beinhalten.

Es stellt sich die Frage, welche Pflichtangaben ein entsprechendes Eingabetool beinhalten sollte und welche Angaben optional sein sollten. Um den Erstkontakt so niedrigschwellig wie möglich zu halten, empfehlen wir, bei der Entwicklung und Implementierung eines entsprechenden Tools nur wenige Angaben als Pflichtangaben einzustellen. Neben der Angabe des eigenen Namens und der Angabe einer E-Mail-Adresse und/oder einer Telefonnummer könnte es sich z.B. anbieten, Angaben zur gewünschten Form und zum gewünschten Ort einer Erstberatung (z.B. im Jugendamt, bei der Familie zuhause, an einem anderen Ort oder per Videokonferenztool) als Pflichtangaben einzustellen. Als optionale Angabe-Felder, zu denen die Sorgeberechtigten etwas sagen können, aber nicht müssen, könnten sich z.B. Fragen zum Grund für das Interesse an Hilfen zur Erziehung, Fragen zu etwaigen Erkrankungen oder Beeinträchtigungen und Fragen zu etwaigen besonderen Wünschen für das erste Beratungsgespräch anbieten. Angaben, die sich auf personenbezogene Daten der Kinder der*des Personensorgeberechtigten beziehen, sollten in einem entsprechenden Tool allenfalls optional sein. Aus Datenschutzgründen empfiehlt sich, eher komplett von einer Abfrage zu solchen Informationen abzusehen.

Wichtig ist bei einem Tool dieser Art nicht zuletzt, dass die Personensorgeberechtigten beim Ausfüllen des Kontaktformulars klar und verständlich darauf hingewiesen werden, an wen ihre Daten nach dem Ausfüllen und Absenden geschickt werden. Dabei gilt es deutlich hervorzuheben, dass die Informationen streng vertraulich behandelt werden. Außerdem sollten die Personensorgeberechtigten auf die ungefähre Dauer bis zur Beantwortung ihrer Anfrage hingewiesen werden.

In den Sozialen Diensten wiederum braucht es klare Regelungen dazu, wer für die Bearbeitung der über ein entsprechendes Tool eingegangenen Kontaktformulare zuständig ist.

Hinweis: In dem vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF) verfassten Rechtsgutachten zur digitalisierungsspezifischen Auslegung des SGB VIII finden sich weitere Informationen zum Thema „Digitale Beantragung von Leistungen“ (in Teil 2 „Digitale Aufgabenerfüllung in der Kinder- und Jugendhilfe“ in Abschnitt B „Digitale Leistungserbringung“ ab S. 31). Weitere Informationen zum Onlinezugangsgesetz (OZG) im Kontext von Leistungen aus dem Bereich der Hilfen zur Erziehung (HzE) sind zudem hier zu finden.

Sollten Beratungs- und Hilfeplangespräche mit Adressat*innen vor und während einer laufenden Hilfe zur Erziehung auch per Videokonferenz-Tool durchgeführt werden können? Und wenn ja, worauf ist bei solchen Gesprächen besonders zu achten?

Für manche Eltern bzw. Sorgeberechtigte und für manche Kinder/Jugendliche kann die Durchführung eines digital per Videokonferenz-Tool durchgeführten Beratungs- bzw. Hilfeplangesprächs angenehmer und die Hemmschwelle für eine Beteiligung an dem Gespräch geringer sein. Daher sollten Adressat*innen in der Hilfeplanung grundsätzlich auch die Möglichkeit haben, entsprechende Gespräche digital per Videokonferenz-Tool durchführen zu können. Zu bedenken ist dabei zudem, dass Onlineberatung für manche Adressat*innen eine wichtige erste „Eintrittstür“ in die face-to-face-Präsenzberatung sein kann.

Hinzu kommt außerdem, dass es vorkommen kann, dass ein*e Sorgeberechtige*r und/oder ein Kind/ein*e Jugendliche*r an einem eigentlich in Präsenz geplanten Gespräch kurzfristig nicht teilnehmen kann (etwa aufgrund einer mit Infektionsrisiko verbundenen Krankheit). Gerade in solchen Fällen kann es sich dann anbieten, auf ein digital per Videokonferenz-Tool durchgeführtes Gespräch „auszuweichen“, anstatt das Gespräch abzusagen.

Fachlich sind digital per Videokonferenz-Tool durchgeführte Beratungs- und Hilfeplangespräche weder kategorisch abzulehnen noch zum grundsätzlich vorzuziehenden Standard zu erheben. Vielmehr sollten hier Rahmenbedingungen und von den Adressat*innen geäußerte Wünsche als Anlass zur Prüfung genutzt werden. Es ist dann in jedem Einzelfall unter fachlichen Gesichtspunkten sorgfältig abzuwägen, ob ein Beratungs- oder Hilfeplangespräch digital stattfinden kann oder in Präsenz stattfinden sollte. Ein Hilfeplan- bzw. Beratungsgespräch nicht auf Basis einer fachlichen Einschätzung, sondern lediglich aus Gründen der Zeit- und/oder Kostenersparnis digital per Video-Konferenz-Tool durchzuführen, wäre hingegen unzulässig und rechtswidrig (s. hierzu auch rechtliches FAQ "Dürfen Hilfeplangespräche digital durchgeführt werden, um Zeit/Kosten zu sparen?").

Zu gewährleisten ist bei einem digital per Videokonferenz-Tool durchgeführten Beratungs- und Hilfeplangespräch in jedem Fall, dass die Adressat*innen in dem Gesprächssetting auch tatsächlich die Möglichkeit haben, sich an der Hilfeplanung zu beteiligen und ihre persönlichen Wünsche und Bedürfnisse zum Ausdruck zu bringen. Wenn die zu beteiligenden jungen Menschen und ihre Eltern bzw. Sorgeberechtigten ein digital realisiertes Beratungs- bzw. Hilfeplangespräch wünschen und fachlich nichts dagegenspricht, sollte einem solchen Wunsch gemäß dem Wunsch- und Wahlrecht grundsätzlich entsprochen werden. Auf diese Weise wird den Adressat*innen zugleich signalisiert, dass ihre Anliegen ernst genommen werden, was wiederum ihre aktive Mitwirkung im Hilfeplanungsprozess fördert. Sofern es Hinweise gibt, dass das digitale Format der Mitwirkung im Hilfeplanungsprozess nicht zuträglich ist (z.B. weil noch nicht ausreichend Hilfeakzeptanz erreicht wurde oder manipulative Einflüsse von anderen zu befürchten sind), kann dies dafürsprechen, dem Wunsch nach einem digital realisierten Beratungs- bzw. Hilfeplangespräch nicht nachzukommen (s. rechtliches FAQ "Ist das Jugendamt verpflichtet, Hilfeplankonferenzen digital (oder analog) durchzuführen, wenn die Eltern und/oder jungen Menschen dies wünschen?").

Auch die Frage, ob Adressat*innen bei digital per Videokonferenz-Tool durchgeführten Gesprächen ihre Kamera aktivieren müssen, sollte nicht pauschal bejaht, sondern unter fachlichen Gesichtspunkten sorgfältig abgewogen werden, da es manchen Kindern, Jugendlichen oder Eltern/Sorgeberechtigten womöglich leichter fällt, sich zu bestimmten Themen zu äußern, wenn andere Personen dabei nicht ihr Gesicht sehen können. Gleichzeitig ist jedoch zu bedenken, dass Fachkräfte bei nicht-aktivierter Kamera aufseiten der Adressat*innen noch weniger Kontrolle darüber haben, ob z.B. noch andere Personen anwesend sind und die eigentlich streng vertraulichen Gespräche in unzulässiger Weise mithören können oder gar in einer Weise Einfluss nehmen, die den Hilfezielen nicht dienlich ist.

Werden Beratungs- oder Hilfeplangespräche digital per Videokonferenz-Tool durchgeführt, gilt auf jeden Fall auch hier die fachliche Prämisse, dass die Beratung in verständlicher, nachvollziehbarer und wahrnehmbarer Form zu erfolgen hat.

Werden Beratungs- oder Hilfeplangespräche digital über ein Videokonferenz-Tool durchgeführt, sollte hierfür ein DSGVO-konformes Tool genutzt werden (z.B. Jitsi Meet, Nextcloud Talk oder BigBlueButton). Außerdem muss sichergestellt sein, dass sowohl die teilnehmenden Fachkräfte als auch die teilnehmenden Adressat*innen über die für das Gespräch benötigte technische Ausstattung (v.a. ein PC oder Laptop mit Mikrofon und Kamera sowie ein Headset) sowie eine stabile Internetverbindung verfügen.

Für Fachkräfte ist weiterhin zu beachten, dass es bei digital per Videokonferenz-Tool durchgeführten Beratungs- oder Hilfeplangesprächen eines besonders bewussten Einsatzes vertrauensbildender und beziehungsgestaltender Maßnahmen bedarf. So gilt es für die Fachkräfte, bewusst vor der Kamera zu vermitteln, dass sie trotz der räumlichen Distanz mit den Adressat*innen in Kontakt und aufmerksam bei ihnen sind (z.B. durch ein in die Kamera Blicken oder das Einnehmen einer bestimmten Sitzposition).

Hinweis: Diese Ausführungen basieren in Teilen auf Aussagen von Teilnehmer*innen im Rahmen des Online-Fachgesprächs "Digitale Kommunikation mit und digitale Beteiligung von Adressat*innen in der Kinder- und Jugendhilfe" (die Dokumentation dazu finden Sie hier) und Aussagen von Teilnehmer*innen im Rahmen des Workshops "Digitalisierung in der Hilfeplanung" (die Dokumentation dazu finden Sie hier) im Rahmen des Projekts "JAdigital. Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe konzeptionell gestalten". Des Weiteren basieren die Ausführungen in Teilen auf der im Rahmen dieses Projekts erstellten Expertise "Digitale Kommunikation, Beratung und Beziehungsgestaltung in der Kinder- und Jugendhilfe" von Prof. Emily Engelhardt.

Darüber hinaus finden sich in dem vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF) verfassten Rechtsgutachten zur digitalisierungsspezifischen Auslegung des SGB VIII weiterführende Informationen zu Kriterien für die digitale Durchführung von Hilfeplangesprächen (in Teil 2 "Digitale Aufgabenerfüllung in der Kinder- und Jugendhilfe“, im Abschnitt B „Digitale Leistungserbringung" ab S. 38).

Welche Besonderheiten sind bei kollegialen Fallberatungen im Kontext einer Gefährdungseinschätzung oder einer Entscheidung über eine geeignete Hilfe zu beachten, wenn diese digital über Videokonferenz-Tools durchgeführt werden?

Eine Grundvoraussetzung für eine gut gelingende digitale kollegiale Fallberatung ist zunächst eine entsprechende Infrastruktur in Form einer stabilen Internetverbindung und einer ausreichenden technischen Ausstattung (PC/Laptop, Mikrofon, Headset, Webcam) aufseiten aller beteiligten Fachkräfte. 

Da es bei digitalen Gesprächssettings oftmals Unklarheiten und Abstimmungsschwierigkeiten gibt, wenn es z.B. darum geht, wer die Gesprächsführung übernimmt, wer die gesammelten Aspekte bündelt etc., sind klare Absprachen zu den Rollen der einzelnen Beteiligten bei einer digitalen kollegialen Fallberatung besonders wichtig.

Zu beachten ist weiterhin, dass digital durchgeführte kollegiale Fallberatungen oftmals besser gelingen, wenn sich die beteiligten Fachkräfte bereits relativ gut kennen und ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis gegeben ist. Wenn an einer digital durchgeführten kollegialen Fallberatung auch Fachkräfte teilnehmen, die noch nicht lange im Dienst sind, sollte daher nach Möglichkeit zumindest ein „analoges“ Kennenlernen face-to-face vor der entsprechenden Fallberatung ermöglicht werden.

Eine Problematik, die sich auch bei „analogen“ kollegialen Fallberatungen stellt, im digitalen Setting aber noch größer ausfallen kann, besteht darin, dass sich manche Fachkräfte mit ihrer Einschätzung zu einem Fall zurückhalten, wenn sie merken, dass diese Einschätzung sehr stark von denen der anderen beteiligten Fachkräfte abweicht. Auch dies gilt insbesondere, aber nicht nur, für Fachkräfte, die noch nicht so lange im Sozialen Dienst tätig sind und im Vergleich zu den anderen Fachkräften über weniger Erfahrung verfügen. Gründe für eine solche Zurückhaltung des Äußerns von „abweichenden“ Einschätzungen können z.B. ein (zu) ausgeprägtes Harmoniebedürfnis und einen hohen Zeitdruck sowie ein damit verbundenes Bedürfnis, möglichst schnell zu einem Ergebnis zu kommen, umfassen. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, kann jedoch – sowohl bei „analog“ als auch bei digital durchgeführten kollegialen Fallberatungen – die Nutzung eines digitalen Tools, mit dem beteiligte Fachkräfte zunächst anonym textbasiert ihre Einschätzungen zu bestimmten Punkten abgeben können, Hemmschwellen absenken. Die verschiedenen Beiträge können dann gesammelt für alle Beteiligten visualisiert werden, ohne dass sie dabei konkreten Personen zugeordnet werden. Die beteiligten Fachkräfte könnten sich hierdurch ein Gesamtbild über verschiedene Einschätzungen im Team verschaffen und diese als Ausgangspunkt für die weitere Besprechung nehmen.

Hinweis: Diese Ausführungen basieren in Teilen auf Aussagen von Teilnehmer*innen im Rahmen des Online-Fachgesprächs "Digitalisierung im Kinderschutz" im Rahmen des Projekts "JAdigital. Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe konzeptionell gestalten". Die Dokumentation zu dieser Veranstaltung finden Sie hier.

Sollten sich Vertreter*innen leistungserbringendender Träger der Kinder- und Jugendhilfe & sonstige externe Personen bei Hilfeplangesprächen oder Helferkonferenzen in Präsenz über ein Videokonferenz-Tool digital dazuschalten können?

Die Teilnahme von Fachkräften des leistungserbringenden Trägers laufender Hilfen zur Erziehung ist bei einem Hilfeplangespräch von essenzieller Bedeutung. Mitunter kann es für die Fachkräfte aufgrund von großen räumlichen Entfernungen, Krankheitsfällen o.Ä. jedoch schwierig sein, eine Teilnahme in Präsenz zu ermöglichen. Daher sollte es auch für diese Fachkräfte die Möglichkeit geben, sich zu einem Hilfeplangespräch digital dazu zu schalten. Auch sonstige externe Personen, die nach Bedarf zu einem Hilfeplangespräch hinzugezogen werden (z.B. Lehrkräfte, Ärzt*innen, Erzieher*innen etc.), sollten die Möglichkeit zur digitalen Teilnahme haben.

Damit geht einher, dass das Hilfeplangespräch in diesem Fall an einem Ort mit stabiler Internetverbindung und hinreichender technischer Ausstattung für ein hybrides Setting stattfinden sollte.

Dieselben Optionen sollten auch für Helferkonferenzen gegeben sein. Insbesondere bei Helferkonferenzen kann es zudem wichtig sein, externe Perspektiven und Einschätzungen von Personen mit besonderer fachlicher Expertise einzuholen. Auch für diesen Fall sollte die Möglichkeit des digitalen Zuschaltens gegeben sein, wenn eine persönliche Anreise nicht ist oder zu aufwändig wäre.

Hinweis: Diese Ausführungen basieren in Teilen auf Aussagen von Teilnehmer*innen im Rahmen des Online-Workshops "Digitalisierung im Kinderschutz" (die Dokumentation dazu finden Sie hier) sowie auf Aussagen von Teilnehmer*innen im Rahmen des Online-Fachgesprächs "Digitale Kommunikation mit und digitale Beteiligung von Adressat*innen in der Kinder- und Jugendhilfe" (die Dokumentation dazu finden Sie hier) im Rahmen des Projekts "JAdigital. Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe konzeptionell gestalten".

Inwiefern könnte die Nutzung eines digitalen Tools hilfreich sein, mit dem Adressat*innen der fallverantwortlichen Fachkraft im Jugendamt VOR einem Hilfeplangespräch Informationen zu Aspekten, die für sie persönlich wichtig sind, mitteilen können?

Nach § 36 Abs. 2 S. 2 SGB VIII hat das Jugendamt regelmäßig zu prüfen, ob eine gewährte Hilfe weiterhin geeignet und notwendig ist. Für die Einleitung der Fortschreibung des Hilfeplans ist die fallverantwortliche Fachkraft des Jugendamtes zuständig. Im Zuge der Fortschreibung des Hilfeplans hat die Durchführung von Hilfeplangesprächen einen besonderen Stellenwert. Denn ein Hilfeplangespräch soll in erster Linie dazu dienen, den bisherigen Verlauf einer Hilfe und die dadurch bisher erreichten Wirkungen gemeinsam zu reflektieren sowie Ziele und Maßnahmen bis zum nächsten Hilfeplangespräch gemeinsam auszuhandeln.

Um sicherzustellen, dass bei einem Hilfeplangespräch der Fokus auch tatsächlich auf ebendiese Aspekte gelegt werden kann, sollte eine zuständige Fachkraft des leistungserbringenden Trägers der Kinder- und Jugendhilfe mit den Adressat*innen einer Hilfe vorab ein Vorbereitungsgespräch durchführen, in dem die im letzten Hilfeplangespräch vereinbarten Ziele und deren Umsetzung gemeinsam reflektiert werden. Die Ergebnisse dieses Vorbereitungsgespräches sollten von den Adressat*innen und dem Leistungserbringer schriftlich dokumentiert und dem Jugendamt rechtzeitig vor dem Hilfeplangespräch weitergeleitet werden. Durch das Vorbereitungsgespräch ist es möglich, schon vor dem eigentlichen Hilfeplangespräch unterschiedliche Sichtweisen zwischen den Kindern/Jugendlichen, Eltern/Sorgeberechtigten und leistungserbringenden Fachkräften auszuloten.

Ein digitales Tool, mit dem zentrale Ergebnisse eines solchen Vorbereitungsgesprächs direkt festgehalten und an die zuständige fallverantwortliche Fachkraft im Jugendamt geschickt werden können, würde die Vorbereitung und Durchführung von Hilfeplangesprächen vermutlich stark erleichtern und effizienter werden lassen.

Zusätzlich könnte es sich aber auch anbieten, wenn ein entsprechendes Tool es den Adressat*innen ermöglichen würde, unabhängig von einem Vorbereitungsgespräch mit Fachkräften des leistungserbringenden Trägers vor einem anstehenden Hilfeplangespräch Mitteilungen an die fallverantwortliche Fachkraft des Jugendamts zu schicken. Auf diesem Wege sollten Adressat*innen die Möglichkeit haben, die fallverantwortliche Fachkraft direkt über Aspekte zu informieren, die für sie persönlich aktuell besonders wichtig sind (z.B. Veränderungen der Lebenssituation durch eine Trennung der Eltern und einen damit verbundenen Umzug), ohne dass diese Information vorab auch an eine Fachkraft des Leistungserbringers gehen muss. Dass ein digitales Tool auch diese Möglichkeit bieten sollte, ist insbesondere deshalb wichtig, da es auch vorkommen kann, dass ein*e Adressat*in den Fachkräften des Leistungserbringers bestimmte Informationen nicht direkt anvertrauen möchte (nicht zuletzt dann, wenn es z.B. um Beschwerden und Unzufriedenheit mit bestimmten Punkten der erbachten Hilfeleistung geht).

Als hilfreich erweisen könnte sich zudem, wenn ein entsprechendes Tool eine Funktion beinhaltet, über die Adressat*innen, Fachkräfte des Leistungserbringers und etwaige weitere Personen, die an einem anstehenden Hilfeplangespräch teilnehmen werden, vorab ihre Einschätzung zu bestimmten Punkten (etwa dazu, inwieweit ein bestimmtes im letzten Hilfeplangespräch vereinbartes Ziel bisher erreicht werden konnte oder nicht) abgeben und an die fallverantwortliche Fachkraft des Jugendamts schicken können. Im Hilfeplangespräch selbst könnten diese vorher abgegebenen unterschiedlichen Einschätzungen der verschiedenen Akteur*innen dann visuell nebeneinandergelegt und als gemeinsamer Reflexionsimpuls genutzt werden.

Hinweis: Diese Ausführungen basieren in Teilen auf Aussagen von Teilnehmer*innen im Rahmen des Online-Workshops "Digitalisierung in der Hilfeplanung" (die Dokumentation dazu finden Sie hier) und Aussagen von Teilnehmer*innen im Rahmen des Online-Fachgesprächs "Digitale Kommunikation und digitale Beteiligung von Adressat*innen in der Kinder- und Jugendhilfe" (die Dokumentation dazu finden Sie hier) im Kontext des Projekts "JAdigital. Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe konzeptionell gestalten".

Inwiefern könnte die Nutzung eines digitalen Tools hilfreich sein, mit dem Adressat*innen der fallverantwortlichen Fachkraft im Jugendamt NACH einem Hilfeplangespräch bestimmte Aspekte mitteilen und ein Feedback zum Hilfeplangespräch geben können?

Und worauf ist bei der Entwicklung und Implementierung eines solchen Tools zu achten?

Es kann immer wieder vorkommen, dass der / die Adressat*in einer laufenden Hilfe zur Erziehung nach einem Hilfeplangespräch das Gefühl hat, dass bestimmte Aspekte, die ihr oder ihm eigentlich wichtig gewesen wären, unzureichend oder gar nicht angesprochen wurden. Die Gründe hierfür können verschiedener Art sein. So kann der zeitlich begrenzte Rahmen eines Hilfeplangesprächs grundsätzlich dazu führen, dass manche Aspekte aus Zeitgründen "hinten runter fallen" bzw. zu kurz kommen. Eine Rolle spielen kann aber auch, dass die fallverantwortliche Fachkraft, die das Hilfeplangespräch in der Regel moderiert, bestimmten Aspekten von vorneherein nicht die gleiche Priorität einräumt wie es die / der Adressat*in tut. Ebenso kann es vorkommen, dass der / dem Adressat*in erst im Nachgang des Gesprächs bestimmte Aspekte wieder einfallen, an die er / sie während des Gesprächs nicht mehr gedacht hatte. Nicht zuletzt ist an die Möglichkeit zu denken, dass der / die Adressat*in sich in dem Setting des Hilfeplangesprächs nicht wohl fühlt (z.B. aufgrund der großen Anzahl der teilnehmenden Personen) und sich aufgrund dessen nicht traut, bestimmte Fragen zu stellen, wenn er / sie z.B. etwas nicht richtig verstanden hat.

Über die genannten Aspekte hinaus sollten Adressat*innen aber auch die Möglichkeit haben, der fallverantwortlichen Fachkraft, die das Hilfeplangespräch moderiert hat, ein grundsätzliches Feedback dazu zu geben, welche Aspekte dem eigenen Empfinden nach gut gelungen waren und welche weniger oder überhaupt nicht. Ein solches Feedback kann für die fallverantwortliche Fachkraft enorm wichtig sein, um mit Blick auf die Gestaltung von noch folgenden Hilfeplangesprächen daraus zu lernen.

Es erscheint somit in jedem Fall wichtig, dass Adressat*innen auch im Nachgang zu einem Hilfeplangespräch noch Gelegenheit haben, mit der für sie zuständigen fallverantwortlichen Fachkraft im Jugendamt in Kontakt zu treten – sei es, um Dinge anzusprechen, die während des Gesprächs zu kurz kamen oder vergessen wurden; um Nachfragen zu Aspekten zu stellen, die im Gespräch unklar geblieben sind oder um Feedback zu geben. Für diese Zwecke könnte sich ein digitales Tool anbieten, in dem der / die Adressat*in text- oder sprachbasierte Mitteilungen machen und direkt an die zuständige fallverantwortliche Fachkraft im Jugendamt schicken kann.

Falls der / die Adressat*in dies vorzieht, sollte es ebenso möglich sein, dass eine entsprechende Mitteilung zunächst mit einer Vertrauensperson besprochen wird und dass nicht der / die Adressat*in, sondern die entsprechende Vertrauensperson die Mitteilung dann anschließend über das digitale Tool an die fallverantwortliche Fachkraft des Jugendamts schickt. Gerade dann, wenn ein*e Adressat*in im sprachlichen Ausdrucksvermögen eingeschränkt ist, muss die Möglichkeit bestehen, dass eine Vertrauensperson den / die Adressat*in bei der Formulierung einer Mitteilung an die fallverantwortliche Fachkraft im Jugendamt unterstützt. Bei Bedarf sollte diese Vertrauensperson auch die vollständige Ausformulierung entsprechender Mitteilungen übernehmen können. Dann ist jedoch besonders wichtig, dass sie die Inhalte und deren Bedeutung mit der jeweiligen Adressat*in ausführlich bespricht und ihr verständlich erklärt. Grundsätzlich bietet es sich an, wenn die entsprechenden Vertrauenspersonen Fachkräfte des Jugendhilfeträgers, der die erzieherische Hilfeleistung erbringt, sind und selbst an den Hilfeplangesprächen teilnehmen und über die Situation der / des Adressat*in somit gut Bescheid wissen. Da es auch vorkommen kann, dass der / die Adressat*in zu keiner Fachkraft des leistungserbringenden Trägers ein wirkliches Vertrauensverhältnis hat, ist es jedoch wichtig, dass auch andere Personen als Vertrauenspersonen, die bei der Formulierung und Übersendung von Mitteilungen an die fallverantwortliche Fachkraft des Jugendamts unterstützen, fungieren können.

Damit ein digitales Tool, mit dem Adressat*innen (ggf. mit Unterstützung durch eine Vertrauensperson) im Nachgang zu einem Hilfeplangespräch Mitteilungen an die zuständige fallverantwortliche Fachkraft des Jugendamts schicken können, tatsächlich einen fachlichen Mehrwert hat, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. So muss z.B. zunächst eine grundsätzliche Zugangsmöglichkeit gewährleistet sein. Hierfür wiederum ist sicherzustellen, dass die Adressat*innen über die zur Nutzung benötigten technischen Geräte sowie eine stabile Internetverbindung verfügen. Damit ein entsprechendes digitales Tool möglichst niedrigschwellig genutzt werden kann, sollte es am besten über das eigene Smartphone aufrufbar sein. Um zugleich Datenschutzaspekte hinreichend zu berücksichtigen, sollte die Nutzung des Tools jedoch möglichst keine vorherige Installation einer App oder Software auf dem eigenen Gerät erfordern, sondern über die passwortgeschützte Anmeldung in einem im Webbrowser aufrufbaren Onlineportal erfolgen. Nach Absenden einer Mitteilung sollte sich der / die Adressat*in dann zudem aus dem entsprechenden Onlineportal wieder abmelden oder ggf. nach einer gewissen Zeit sogar durch das Tool automatisch abgemeldet werden, um die Gefahr eines Zugriffs durch andere Personen zu minimieren. Spätestens kurz nachdem sie eine Mitteilung abgeschickt haben oder noch besser schon bei ihrer Anmeldung im Onlineportal sollten Adressat*innen in dem entsprechenden Tool zudem mit einem Hinweis über die ungefähr zu erwartende Dauer bis zur Beantwortung einer Mitteilung durch die fallverantwortliche Fachkraft informiert werden. Dies ist als wichtig anzusehen, damit Adressat*innen in dieser Hinsicht von vorneherein keine zu hohen Erwartungen haben, die angesichts des hohen Arbeitspensums aufseiten der Fachkräfte im Jugendamt unrealistisch sein könnten. Sobald die zuständige fallverantwortliche Fachkraft auf eine eingegangene Mitteilung geantwortet hat, sollte der / die Adressat*in in einer kurzen E-Mail an sein persönliches Postfach über diese Beantwortung in Kenntnis gesetzt werden. Das Aufrufen einer entsprechenden Mitteilung der fallverantwortlichen Fachkraft sollte hingegen wiederum nur durch passwortgeschützte Anmeldung im gleichen Onlineportal möglich sein.

Ein entsprechendes digitales Tool sollte außerdem möglichst niedrigschwellig und inklusiv nutzbar sein. Wichtig ist hierfür v.a., dass die Bedienung (Usability) sich möglichst intuitiv erschließt und verständlich formulierte Erklärungstexte (mit Vorlesefunktion) zu den wesentlichen Funktionen vorhanden sind. Idealerweise sollte das Tool zudem in mehreren Sprachen zur Verfügung stehen oder eine Übersetzungsfunktion beinhalten und sollte eine „Leichte Sprache“-Option beinhalten.

Bei der Entwicklung und Implementierung eines entsprechenden Tools sollten die personellen Ressourcen in den Sozialen Diensten der Jugendämter von Anfang an hinreichend mitbedacht werden. Es ist sicherzustellen, dass alle Fachkräfte in der Lage sind, ein entsprechendes Toll zu nutzen und zudem in der Lage sind, Adressat*innen die Nutzung des Tools zu erklären. Zudem braucht es transparente und klare Regelungen dazu, welchen zeitlichen Umfang die Fachkräfte für die Bearbeitung von Mitteilungen, die über ein entsprechendes Tool eingehen, aufwenden sollen. Ebenso braucht es klare Regelungen zum Vorgehen bei bestimmten Inhalten von eingehenden Mitteilungen (etwa, wenn sich einer Mitteilung neue Hinweise auf eine Kindeswohlgefährdung ergeben sollten).

Nicht zuletzt ist bei der Entwicklung und Implementierung eines entsprechenden Tools von Anfang mitzudenken, dass es auch für die regelmäßige technische Wartung und Überarbeitung hinreichende personelle (IT-)Ressourcen braucht.

Hinweis: Diese Ausführungen basieren in Teilen auf Aussagen von Teilnehmer*innen im Rahmen des Online-Fachgesprächs "Digitale Kommunikation mit und digitale Beteiligung von Adressat*innen in der Kinder- und Jugendhilfe" im Kontext des Projekts "JAdigital. Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe konzeptionell gestalten". Die Dokumentation zu dieser Veranstaltung finden Sie hier.

Einsatz von digitalen Technologien und digitalen Tools zur Dokumentation und zum Fallmanagement

Inwiefern kann die Nutzung von digitalen Dokumentationssystemen zu einer (De-)Professionalisierung sozialpädagogischer Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe beitragen?

Die Verwendung von digitaler Software zur Dokumentation und zum Fallmanagement ist in der Kinder- und Jugendhilfe inzwischen weit verbreitet. Digitale Systeme zur Falldokumentation zeichnen sich stets durch eine Vorstrukturierung aus, etwa in Form von bestimmten Kategorien, zu denen eine Fachkraft Informationen eintragen kann. Hierdurch bringt die Nutzung digitaler Dokumentationssysteme zwangsläufig eine stärkere Standardisierung von Arbeitsprozessen mit sich.

Einerseits kann die Vorstrukturierung digitaler Dokumentationssysteme dazu beitragen, dass bestimmte wichtige Aspekte bei einem Fall nicht unberücksichtigt bleiben. Gerade mit Blick auf mögliche Kindeswohlgefährdungen kann sich dies als ausgesprochen wichtig erweisen, um fundierte und auf einer möglichst umfassenden Datengrundlage basierende Beurteilungen zu treffen. Die Nutzung vorstrukturierter digitaler Dokumentationssysteme kann ein besonders präzises und genaues Arbeiten von Fachkräften begünstigen und somit grundsätzlich durchaus auch mit einem Gewinn für das professionelle Handeln sozialpädagogischer Fachkräfte verbunden sein.

Auf der anderen Seite ist aber zu bedenken, dass die Vorstrukturierung einer digitalen Dokumentationssoftware für eine Fachkraft unter Umständen auch einschränkend sein kann. So kann es z.B. vorkommen, dass eine Fachkraft bei der Bearbeitung eines Falles auch auf Aspekte stößt, die in den Kategorien der Software nicht oder zumindest nicht hinreichend abgedeckt sind. Insbesondere bei komplexeren Querschnittsthemen besteht die Gefahr, dass diese in digitalen Dokumentationssystemen zu wenig Berücksichtigung finden.

Nicht zuletzt muss betont werden, dass auch die Verwendung eines digitalen Dokumentationssystems keine rein objektive Falldokumentation ermöglicht. Denn welche Informationen über die einzelnen Personen in einem Fall (insbesondere Kinder/Jugendliche und deren Eltern/Sorgeberechtigte) eingetragen werden, beruht letztlich noch immer auf subjektiven Entscheidungen der Fachkräfte.

Festzuhalten ist, dass die Nutzung digitaler Dokumentationssysteme für Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe durchaus eine gewinnbringende Arbeitsunterstützung sein kann und das Treffen fundierter fachlich begründete Entscheidungen begünstigen kann. Wichtig ist jedoch, dass Fachkräfte sich auch der Grenzen entsprechender Dokumentationssysteme bewusst und in der Lage dazu sind, auch über die vorstrukturierten Kategorien eines digitalen Dokumentationssystems hinauszudenken.

Dringend geboten erscheint vor diesem Hintergrund die Etablierung von umfassenden Einarbeitungs- und Weiterbildungskonzepten zur Nutzung der digitalen Dokumentationssysteme. In diesen Konzepten sollten dann nicht nur Aspekte der technischen Bedienung, sondern immer auch Aspekte der kritischen fachlichen Reflexion berücksichtigt werden. Das Erfahrungswissen von Fachkräften sollte zudem immer wieder herangezogen werden, um bestehende digitale Dokumentationssysteme auf dieser Basis fortlaufend unter technischen und unter fachlichen Gesichtspunkten verbessern zu können.

Hinweis: Dieser Text basiert in Teilen auf Beschreibungen in der vom ism in Auftrag gegebenen Expertise „Einsatz digitaler Technologien in der Kinder- und Jugendhilfe“ von Nina Rehme und Prof. Dr. Uwe Seelmeyer. In Kapitel 4.3.1 der Expertise werden einige der hier skizzierten Aspekte näher ausgeführt.

Hier können Sie die Expertise „Einsatz digitaler Technologien in der Kinder- und Jugendhilfe“ lesen.

Hier finden Sie außerdem eine Übersicht über weitere bisher veröffentlichte vom ism in Auftrag gegebene Expertisen zu Themen der Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe.

Einsatz von digitalen Technologien und digitalen Tools im Kinderschutz

Ist es realistisch, dass Gefährdungseinschätzungen im Kinderschutz in absehbarer Zeit nicht mehr von Fachkräften getroffen werden, sondern von einer Künstlichen Intelligenz (KI)?

Das Thema "Künstliche Intelligenz" ist spätestens seit dem Start von "ChatGPT" in aller Munde. Auch im Kinderschutz werden Einsatzmöglichkeiten von Machine Learning und Künstlicher Intelligenz zum Einsatz bei Gefährdungseinschätzungen schon seit längerem diskutiert und wurden in verschiedenen internationalen Studien bereits mit unterschiedlichen Ergebnissen untersucht.

Grundsätzlich ist das Potenzial von Machine Learning und Künstlicher Intelligenz als sehr hoch einzuschätzen, wenn es darum geht, Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Ereignisse (z.B. das Vorkommen von häuslicher Gewalt) möglichst präzise zu berechnen. Für die Verlässlichkeit entsprechender Berechnungen und daraus abgeleiteter Prognosen spielen jedoch auch Umfang und Qualität der Datenbasis, mit der die hierzu verwendeten Algorithmen trainiert wurden, eine große Rolle.

Unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. der Gewährleistung eines repräsentativen Trainingsdatensatzes) könnten digitale Assistenzsysteme, die mit Machine Learning / Künstlicher Intelligenz arbeiten, hilfreich sein, um Fachkräften im Rahmen der Gefährdungseinschätzung Hinweise dazu an die Hand zu geben, auf welche Aspekte sie bei einem konkreten Fall noch stärker achten sollten, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können.

Da eine Gefährdungseinschätzung nach §8a SGB VIII jedoch stets im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte und möglichst auch unter Einbezug der betroffenen Kinder/Jugendlichen zu erfolgen hat, wäre eine Gefährdungseinschätzung, die ausschließlich auf der Basis von Machine Learning / Künstlicher Intelligenz  getroffen wird, mit der aktuell geltenden Rechtslage in Deutschland nicht vereinbar. Somit bleibt eine Gefährdungseinschätzung fachlich qualifizierten Personen vorbehalten und ist von diesen nach fachlichen Standards durchzuführen.

Dies wiederum schließt allerdings keinesfalls aus, dass die Ergebnisse eines mit Machine Learning / Künstlicher Intelligenz arbeitenden digitalen Assistenzsystems  bei einer Gefährdungseinschätzung durch Fachkräfte ebenfalls mitberücksichtigt werden dürfen. Aktuell kommen digitale Assiszsysteme mit Machine Learning / Künstlicher Intelligenz in deutschen Jugendämtern aber noch nicht zum Einsatz.

In dem deutschen interdisziplinären Forschungsprojekt "KAIMo" wird derzeit untersucht, ob Künstliche Intelligenz Entscheidungen im Rahmen der Gefährdungseinschätzung unterstützen oder sogar selbst treffen kann. Hierzu wird mit mit mehreren Jugendämtern in Bayern zusammengearbeitet. Weitere Informationen zu dem Forschungsprojekt finden Sie hier.

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