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Wie kann bereits bei der Entwicklung digitaler Technologien für Leitungs- und Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe dafür Sorge getragen werden, dass die Technologien einen fachlichen Mehrwert haben und keine (zusätzliche) Belastung sind?

Empirische Befunde zeigen, dass einige Führungskräfte der Sozialen Arbeit digitale Technologien vorwiegend als Arbeitsbelastung empfinden. So unterstützen digitale Systeme zwar bei administrativen Tätigkeiten, bringen jedoch oft auch neue Aufgaben mit sich, die über das eigentliche Kerngebiet sozialpädagogischer Fachkräfte hinausreichen.

Damit digitale Systeme für Leitungs- und Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe einen erkennbaren Mehrwert haben, ist es daher wichtig, bereits bei deren Entwicklung nicht bloß technische und betriebswirtschaftliche Aspekte, sondern vor allem auch zentrale fachliche Bedürfnisse der Sozialen Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe zu berücksichtigen. Bisher ist dies jedoch kaum der Fall und sozialpädagogische Fachkräfte haben meist wenig Möglichkeit, bei der Entwicklung neuer digitaler Systeme für die Kinder- und Jugendhilfe ihre fachliche Perspektive miteinzubringen.

Es erscheint daher dringend geboten, dass bereits bei der Entwicklung neuer digitaler Technologien und Systeme für die Kinder- und Jugendhilfe ein breites Netzwerk aus unterschiedlichen relevanten Akteur*innen einbezogen wird. Zu diesen Akteur*innen sollten neben den Mittelgebenden und den Programmierer*innen unbedingt auch Leitungs- und Fachkräfte sowie Adressat*innen der Kinder- und Jugendhilfe zählen.

Hinweis: Dieser Text basiert inhaltlich auf Beschreibungen in der vom ism in Auftrag gegebenen Expertise „Einsatz digitaler Technologien in der Kinder- und Jugendhilfe“ von Nina Rehme und Prof. Dr. Uwe Seelmeyer. In Kapitel 5.3 der Expertise werden die hier skizzierten Aspekte näher ausgeführt.

Hier können Sie die Expertise „Einsatz digitaler Technologien in der Kinder- und Jugendhilfe“ lesen.

Hier finden Sie außerdem eine Übersicht über weitere bisher veröffentlichte vom ism in Auftrag gegebene Expertisen zu Themen der Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe.

Inwiefern kann die Nutzung von digitalen Dokumentationssystemen zu einer (De-)Professionalisierung sozialpädagogischer Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe beitragen?

Die Verwendung von digitaler Software zur Dokumentation und zum Fallmanagement ist in der Kinder- und Jugendhilfe inzwischen weit verbreitet. Digitale Systeme zur Falldokumentation zeichnen sich stets durch eine Vorstrukturierung aus, etwa in Form von bestimmten Kategorien, zu denen eine Fachkraft Informationen eintragen kann. Hierdurch bringt die Nutzung digitaler Dokumentationssysteme zwangsläufig eine stärkere Standardisierung von Arbeitsprozessen mit sich.

Einerseits kann die Vorstrukturierung digitaler Dokumentationssysteme dazu beitragen, dass bestimmte wichtige Aspekte bei einem Fall nicht unberücksichtigt bleiben. Gerade mit Blick auf mögliche Kindeswohlgefährdungen kann sich dies als ausgesprochen wichtig erweisen, um fundierte und auf einer möglichst umfassenden Datengrundlage basierende Beurteilungen zu treffen. Die Nutzung vorstrukturierter digitaler Dokumentationssysteme kann ein besonders präzises und genaues Arbeiten von Fachkräften begünstigen und somit grundsätzlich durchaus auch mit einem Gewinn für das professionelle Handeln sozialpädagogischer Fachkräfte verbunden sein.

Auf der anderen Seite ist aber zu bedenken, dass die Vorstrukturierung einer digitalen Dokumentationssoftware für eine Fachkraft unter Umständen auch einschränkend sein kann. So kann es z.B. vorkommen, dass eine Fachkraft bei der Bearbeitung eines Falles auch auf Aspekte stößt, die in den Kategorien der Software nicht oder zumindest nicht hinreichend abgedeckt sind. Insbesondere bei komplexeren Querschnittsthemen besteht die Gefahr, dass diese in digitalen Dokumentationssystemen zu wenig Berücksichtigung finden.

Nicht zuletzt muss betont werden, dass auch die Verwendung eines digitalen Dokumentationssystems keine rein objektive Falldokumentation ermöglicht. Denn welche Informationen über die einzelnen Personen in einem Fall (insbesondere Kinder/Jugendliche und deren Eltern/Sorgeberechtigte) eingetragen werden, beruht letztlich noch immer auf subjektiven Entscheidungen der Fachkräfte.

Festzuhalten ist, dass die Nutzung digitaler Dokumentationssysteme für Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe durchaus eine gewinnbringende Arbeitsunterstützung sein kann und das Treffen fundierter fachlich begründete Entscheidungen begünstigen kann. Wichtig ist jedoch, dass Fachkräfte sich auch der Grenzen entsprechender Dokumentationssysteme bewusst und in der Lage dazu sind, auch über die vorstrukturierten Kategorien eines digitalen Dokumentationssystems hinauszudenken.

Dringend geboten erscheint vor diesem Hintergrund die Etablierung von umfassenden Einarbeitungs- und Weiterbildungskonzepten zur Nutzung der digitalen Dokumentationssysteme. In diesen Konzepten sollten dann nicht nur Aspekte der technischen Bedienung, sondern immer auch Aspekte der kritischen fachlichen Reflexion berücksichtigt werden. Das Erfahrungswissen von Fachkräften sollte zudem immer wieder herangezogen werden, um bestehende digitale Dokumentationssysteme auf dieser Basis fortlaufend unter technischen und unter fachlichen Gesichtspunkten verbessern zu können.

Hinweis: Dieser Text basiert in Teilen auf Beschreibungen in der vom ism in Auftrag gegebenen Expertise „Einsatz digitaler Technologien in der Kinder- und Jugendhilfe“ von Nina Rehme und Prof. Dr. Uwe Seelmeyer. In Kapitel 4.3.1 der Expertise werden einige der hier skizzierten Aspekte näher ausgeführt.

Hier können Sie die Expertise „Einsatz digitaler Technologien in der Kinder- und Jugendhilfe“ lesen.

Hier finden Sie außerdem eine Übersicht über weitere bisher veröffentlichte vom ism in Auftrag gegebene Expertisen zu Themen der Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe.

Ist es realistisch, dass Gefährdungseinschätzungen im Kinderschutz in absehbarer Zeit nicht mehr von Fachkräften getroffen werden, sondern von einer KI?

Das Thema "Künstliche Intelligenz" ist spätestens seit dem Start von "ChatGPT" in aller Munde. Auch im Kinderschutz werden Einsatzmöglichkeiten von Machine Learning und Künstlicher Intelligenz zum Einsatz bei Gefährdungseinschätzungen schon seit längerem diskutiert und wurden in verschiedenen internationalen Studien bereits mit unterschiedlichen Ergebnissen untersucht.

Grundsätzlich ist das Potenzial von Machine Learning und Künstlicher Intelligenz als sehr hoch einzuschätzen, wenn es darum geht, Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Ereignisse (z.B. das Vorkommen von häuslicher Gewalt) möglichst präzise zu berechnen. Für die Verlässlichkeit entsprechender Berechnungen und daraus abgeleiteter Prognosen spielen jedoch auch Umfang und Qualität der Datenbasis, mit der die hierzu verwendeten Algorithmen trainiert wurden, eine große Rolle.

Unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. der Gewährleistung eines repräsentativen Trainingsdatensatzes) könnten digitale Assistenzsysteme, die mit Machine Learning / Künstlicher Intelligenz arbeiten, hilfreich sein, um Fachkräften im Rahmen der Gefährdungseinschätzung Hinweise dazu an die Hand zu geben, auf welche Aspekte sie bei einem konkreten Fall noch stärker achten sollten, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können.

Da eine Gefährdungseinschätzung nach §8a SGB VIII jedoch stets im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte und möglichst auch unter Einbezug der betroffenen Kinder/Jugendlichen zu erfolgen hat, wäre eine Gefährdungseinschätzung, die ausschließlich auf der Basis von Machine Learning / Künstlicher Intelligenz  getroffen wird, mit der aktuell geltenden Rechtslage in Deutschland nicht vereinbar. Somit bleibt eine Gefährdungseinschätzung fachlich qualifizierten Personen vorbehalten und ist von diesen nach fachlichen Standards durchzuführen.

Dies wiederum schließt allerdings keinesfalls aus, dass die Ergebnisse eines mit Machine Learning / Künstlicher Intelligenz arbeitenden digitalen Assistenzsystems  bei einer Gefährdungseinschätzung durch Fachkräfte ebenfalls mitberücksichtigt werden dürfen. Aktuell kommen digitale Assiszsysteme mit Machine Learning / Künstlicher Intelligenz in deutschen Jugendämtern aber noch nicht zum Einsatz.

In dem deutschen interdisziplinären Forschungsprojekt "KAIMo" wird derzeit untersucht, ob Künstliche Intelligenz Entscheidungen im Rahmen der Gefährdungseinschätzung unterstützen oder sogar selbst treffen kann. Hierzu wird mit mit mehreren Jugendämtern in Bayern zusammengearbeitet. Weitere Informationen zu dem Forschungsprojekt finden Sie hier.

Welche Rolle spielt die Kinder- und Jugendhilfe in der Digitalstrategie der Bundesregierung?

In dem 52-seitigen Dokument zur Digitalstrategie der Bundesregierung vom 31. August 2022 findet die Kinder- und Jugendhilfe an zwei Stellen explizit Erwähnung:

  • Zum einen heißt es auf S. 6: "Die Digitalisierung in den Bereichen Bildung, Kinder- und Jugendhilfe, Arbeit, Gesundheit, Pflege, Mobilität, Nahversorgung, Kultur und Medien, bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt führt zu einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in urbanen und ländlichen Räumen und trägt somit zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse bei"
  • Zum anderen heißt es auf S. 28: "Wir wollen uns 2025 daran messen lassen, ob:
    • Bund, Länder, Kommunen und freie Träger auf Basis einer gemeinsamen Strategie zur Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe kooperieren
    • die Anregung und Förderung von Aktivitäten in der Kinder- und Jugendhilfe zur Stärkung der Digitalkompetenzen von jungen Menschen und Fachkräften durch den Bund erheblich zugenommen hat und digitale Werkzeuge zu qualifizierterer Beratung und stärkerer Nutzung von Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe beitragen."

An weiteren Stellen finden sich Anmerkungen, die die Kinder- und Jugendhilfe zumindest implizit betreffen oder zumindest einzelne Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe betreffen:

  • Auf S. 5 wird erwähnt, dass alle Bildungseinrichtungen sich das Potenzial der Digitalisierung für bessere Bildung und mehr Chancengerechtigkeit zunutze machen. Als Bildungseinrichtungen werden hierbei auch Kindertageseinrichtungen sowie non-formale und informelle Bildungsorte genannt.
  • Auf S. 7 werden mehr geschützte, öffentlich-rechtliche, virtuelle Räume, in denen sich Kinder und Jugendliche, Mädchen und Frauen und vulnerable Gruppen jenseits von Geschlechterstereotypen und in ihrer Vielfalt austauschen und positionieren können als ein Zielbild beschrieben.
  • Auf S. 27 wird betont, dass man dafür sorge, dass schon Kinder und Jugendliche in einem sicheren digitalen Umfeld und geschützten digitalen Räumen teilhaben und Chancen für sich nutzen können und die aktuellen gesetzlichen Reformen hierfür konsequent durchgesetzt werden, z.B. mit der neu aufgestellten Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz

Das vollständige Dokument "Digitalstrategie. Gemeinsam digitale Werte schöpfen" steht hier zur Verfügung.

Zu der Webseite Digitalstrategie Deutschland gelangen Sie hier.

Welche Bedeutung hat das Onlinezugangsgesetz (OZG) für die Kinder- und Jugendhilfe?

Mit dem 2017 verabschiedeten und inkraftgetretenen Onlinezugangsgesetz (OZG) sind zwei zentrale Ziele verbunden:

  1. die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen auf der Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene und
  2. die Schaffung einer IT-Infrastruktur, die allen Nutzer*innen einen einfachen elektronischen Zugang zu Verwaltungsleistungen ermöglicht.

Insgesamt sind 575 OZG-Leistungen zu digitalisieren, deren Umsetzung in 14 Themenfeldern erfolgt. Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe sind in dem Themenfeld "Familie und Kind" direkt adressiert. Es sind insgesamt 21 OZG-Verwaltungsdienstleistungen in acht Umsetzungsprojekten (Adoption und Pflegekinder, Betreuungs- und Kulturangebote, Eheschließung, Familienförderung, Geburt, Kombinierte Familienleistungen, Namensänderung und Schwangerschaft) benannt. Z.B. beinhaltet das Umsetzungprojekt Familienförderung die drei Leistungen Unterhaltsvorschuss, Beistandschaft und Gewährung von Hilfen zur Erziehung. Die Länderfederführung übernimmt das Land Bremen, die Bundeskoordination das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).

Den vollständigen Gesetzestext des OZG finden Sie hier.

Die Umsetzunsprojekte sowie weitere Informationen zum Themenfeld "Familie und Kind" finden Sie hier.